Was ist die Alternative zur Bürgerversicherung?

Die Verhinderung der Bürgerversicherung ist noch kein Fortschritt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

in den letzten Monaten haben wir uns intensiv mit der Verhinderung der Bürgerversicherung auseinandergesetzt.

Die Bundestagswahl wird zeigen, ob dies erfolgreich war.

Allein die Verhinderung der Bürgerversicherung ist kein ordnungspolitischer Gewinn. Es bedarf eines Gegenentwurfs, der Probleme löst und Chancen eröffnet. Ein „weiter so“, das ich aus den Vorstellungen der schwarz/gelben Koalition über eine Weiterentwicklung der Systeme von PKV und GKV herausgehört habe, ist die Ursache der strukturellen Probleme und nicht die Lösung!

Es dürfen nicht weitere Reparaturen an den Systemen GKV und PKV vorgenommen werden, die doch nur kurzfristigen Überlegungen entsprechen. Diese haben über Jahrzehnte die Krankheitskosten-Absicherung hoch komplex, intransparent und teuer gemacht.

Für ein funktionierendes, reformiertes duales Absicherungs-System bedarf es des „Aufräumens“. Vorgaben, die aus ganz anderen gesellschaftlichen Strukturen stammend sinnentleert weiter die Freiheit der Bürger und Versicherten beschränken, müssen entrümpelt werden.

Bespielhaft ist dafür die zwanghafte Zuordnung der Bürger zu einem der beiden Systeme, die eher an die Zeit des Bismarck’schen Dreiklassen-Wahlrechts erinnern als einem Bild unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert entsprechen:

Wer „abhängig“ beschäftigt ist, muss sich gesetzlich versichern. Übersteigt sein Jahreseinkommen ein willkürlich definiertes Niveau, darf er wählen. Wahlfreiheit nur für Besserverdiener? Ist das zeitgemäß? Wer Beamter ist, auch wenn er in den untersten Besoldungsgruppen einsortiert wurde, darf wählen und ist meist privatversichert. Gleiches gilt für jede Form der Selbstständigkeit: vom Fahrer eines Paketdienstes bis zum Großunternehmer.

Minister Bahr hat – endlich – die Wahlfreiheit des Krankenversicherungssystems für alle Bürger gefordert. Richtig! Traurig ist nur, dass dieser Vorschlag erst nach 4 Jahren liberaler Verantwortung im Ressort in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Warum diese Ängstlichkeit? Wer die staatliche Bürgerversicherung verhindern möchte, muss bessere Strukturen bauen.

Für einen solchen richtigen Schritt müssen die Strukturen stimmen. Deshalb fordert die PZVD die Einführung einer Basis-Absicherung, die für jeden Bürger verbindlich ist. In dem Zusammenhang muss durch steuerfinanzierte Beiträge sichergestellt werden, dass auch die ca. 300.000 Nicht-Krankenversicherten Zugang zu einer Basis-Versorgung haben. Bevor dies nicht geschehen ist, verbietet es sich ohnehin, von „Solidarität“ zu sprechen, wie es Rot/Grün/Linke ohne Unterlass tun.

Diese Basisabsicherung muss von jedem Anbieter von Krankenkosten-Absicherungen angeboten werden, sonst darf er keine darüberhinausgehenden Tarife anbieten. Damit das im Wettbewerb funktioniert, müssen die Rahmenbedingungen (z.B. Steuerpflicht) so angeglichen werden, dass der Wettbewerb der Krankenkassen und Krankenversicherungen einen fairen Rahmen findet.

Die Entscheidung für ein Krankenversicherungssystem darf nicht zu einer Entscheidung für das ganze Leben werden. Die Biographien laufen nicht so, dass dies möglich wäre. Auch macht Wettbewerb in einem kontrollierten Rahmen nur Sinn, wenn Wechsel zu bestimmten Zeiten, unter definierten Voraussetzungen möglich ist. Für einen Wettbewerb muss dringend die Übertragbarkeit von Altersrückstellungen geklärt werden. Erhält der Versicherte diese individuelle Rückstellung ausgezahlt? Muss bei einem Wechsel in die GKV der Teil der Rücklage (aus der Basis-Absicherung) mit eingebracht werden? Es bedarf klarer sinnvoller Regeln.

Die Transparenz betreffend des versicherten Leistungsumfangs muss Priorität erhalten! Weder der Leistungskatalog der GKV noch die Tarifbestimmungen der PKV sind heute so formuliert, dass ein Bürger sinnvoll eine Wahlfreiheit nutzen kann. Grenzen des Leistungsumfangs werden heute in aller Regel erst im Krankheitsfall deutlich. Das erschwert Eigenverantwortung und eine individuell sinnvolle Absicherung.

Ein aktualisiertes, mit einem fairen Wettbewerbsrahmen versehenes duales System wird seine Stärke voll entfalten: Durch Wettbewerb der Systeme Innovation und Patientenorientierung fortlaufend zu verbessern.

Nicht Gleichheit, sondern Transparenz, Freiheit und Wettbewerb der Systeme müssen die Kriterien für die Krankheitskosten-Absicherungssysteme der Zukunft sein.

Ihr

 

Wilfried Beckmann